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MDK-Behandlungsfehler-Begutachtung: Vertrauen schaffen durch Patientensicherheit

Berlin/Essen. 14.553 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) 2019 erstellt. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt. Das geht aus der Begutachtungsstatistik hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Die Medizinischen Dienste appellieren gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit dafür, anonyme Fehlermeldesysteme zu nutzen und gezielte Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Gerade während der Corona-Pandemie gelte es, die Fehler von morgen zu vermeiden. Im Fokus stehen der Infektionsschutz von Patienten und Personal sowie die Vermeidung von Unterversorgung. 

Unverändert zu den Vorjahren werden die meisten Fehlervorwürfe in den operativen Fächern Orthopädie, Unfallchirurgie und der Allgemeinchirurgie erhoben. „Daraus sind aber keine Rückschlüsse auf die Sicherheit in den jeweiligen Bereichen möglich. Es ist vielmehr so, dass Patienten in diesen Fächern mögliche Fehler leichter erkennen können als in anderen“, erläutert Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS.

Weder die Anzahl der festgestellten Behandlungsfehler noch die Verteilung auf bestimmte medizinische Fachgebiete sind repräsentativ für das Versorgungsgeschehen. „Aus wissenschaftlichen Studien ist jedoch bekannt, dass die tatsächliche Anzahl vermeidbarer Schäden durch Behandlungsfehler wesentlich höher liegt, als es unsere Zahlen vermuten lassen. Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Gronemeyer.

 Aber auch in Zeiten der Pandemie müsse die Patientensicherheit mitgedacht und umgesetzt werden. „Es ist daher zu begrüßen, dass das Aktionsbündnis Patientensicherheit spezielle anonyme Fehlermeldesysteme für die Beschäftigten im Gesundheitswesen geschaffen hat, um Pandemie-bedingte Fehler frühzeitig erkennen und Sicherheitsmaßnahmen ableiten zu können. Sie sollten von möglichst vielen Einrichtungen genutzt werden“, sagt Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin beim MDK Bayern.

Aus den aktuellen Erfahrungen werde aber auch deutlich, dass die Fokussierung auf das Infektionsgeschehen die Patientensicherheit auch auf andere Weise gefährden kann. „Denn die Verzögerung der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit anderen Erkrankungen hat ebenfalls negative Auswirkungen und kann Leiden und Gesundheitsschäden verursachen“, erklärt Zobel. Patienten können zu Schaden kommen, wenn Krebstherapien verschoben oder Schlaganfälle, Herzinfarkte und seelische Leiden zu spät behandelt werden. Trotz der Herausforderung durch die Pandemie sollten alle Patienten zeitgerecht medizinisch versorgt werden.

„Wir gehen davon aus, dass es in dem Tunnelblick, den Corona verursacht hat, eine Unterversorgung anderer Patientengruppen gab – darauf haben wir schon sehr früh hingewiesen. Uns hat bewegt, dass wir nicht darauf hoffen dürfen, dass die Pandemie binnen einiger Wochen oder weniger Monate vorüber ist“, sagt Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende im Aktionsbündnis Patientensicherheit. Deshalb sollte eine Strategie entwickelt werden, wie das Versorgungssystem langfristig aufzustellen ist. Dafür sei ein koordinierter Plan notwendig, bei dem die regionalen Entscheider im Gesundheitswesen zusammengebracht werden sollten. „Das ist eine Chance für eine kluge, sektorenübergreifende regionale Versorgung – Kooperation statt Konkurrenz“, erläutert Hecker.

Wenn dauerhaft speziell separierte Kapazitäten für die Versorgung von Covid-19-Patienten nötig seien, so sei klar, dass die Krankenhäuser Patienten mit anderen Erkrankungen nicht in der gleichen Zahl und nicht an den gleichen Orten wie vorher versorgen können. Ein weiterer wichtiger Punkt seien die Entlassungsprozesse: Die Kooperation mit den Pflegeeinrichtungen müsse ganz neu gedacht werden.

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit weist darauf hin, dass die Datenlage zu unerwünschten vermeidbaren Ereignissen in der Gesundheitsversorgung nach wie vor nicht ausreiche und die Nutzung der Fehlermeldesysteme noch unzureichend sei. „Sogar zu den Ereignissen mit Patientenschaden, die in der Regel vermeidbar sind, den sogenannten Never Events, gibt es in Deutschland keine Zahlen“, kritisiert Hecker.

Sorge bereitet dies auch den Medizinischen Diensten, die seit Jahren eine nahezu unveränderte Anzahl sogenannter Never Events in der Begutachtungsstatistik verzeichnen. Darunter sind eindeutig definierte und zu vermeidende Schadensereignisse wie Seitenverwechslungen, Medikationsfehler und Ähnliches zu verstehen, die zu gravierenden Schäden führen können. Meistens weisen solche Fehler auf unzureichende Sicherheitsvorkehrungen in der Versorgung hin. „Die Schaffung einer nationalen Never-Event-Liste, verbunden mit einer anonymen Meldepflicht, hat sich in zahlreichen Ländern bewährt und sollte auch in Deutschland umgesetzt werden“, sagt Gronemeyer. Für die systematische Fehlervermeidung seien die gezielte Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen und das Zählen der Schadensereignisse entscheidend. Denn nur dann könne man feststellen, ob die Maßnahmen zu weniger Fehlern und zu weniger Schäden führen.

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