Berlin. "Wichtige dokumentierte Qualitätskennzahlen zeigen, dass Gelenkersatz-Patienten in Deutschland sehr gut versorgt werden". Das sagte der Leiter des IGES Instituts, Prof. Dr. Bertram Häussler, bei der Vorstellung des "Weißbuches Gelenkersatz" in Berlin. Das Weißbuch, das vom BVMed in Auftrag gegeben wurde, fasst erstmals alle wissenschaftlichen Daten zum Hüft- und Kniegelenkersatz in Deutschland zusammen und liefert begleitende Experteneinschätzungen. "Das Weißbuch verdeutlicht, dass wir in Deutschland eine hohe Patientenzufriedenheit und Behandlungsqualität erreicht haben", kommentiert BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt. Ein erfolgreicher Gelenkersatz erfordere dabei das Zusammenspiel von drei Komponenten: das operative Vorgehen, ein qualitativ hochwertiges Implantat sowie ein unterstützendes, verantwortungsvolles Patientenverhalten.
Der Präsident der Fachgesellschaft, Prof. Dr. Heiko Reichel, bezeichnete die Endoprothetik als "DIE OP-Erfolgsgeschichte der letzten Jahrzehnte". Nach IGES-Angaben haben 2014 rund 370.000 Menschen ein neues Hüft- (219.000) oder Kniegelenk (149.000) erhalten. Die Eingriffszahlen folgen weitgehend der zunehmenden Alterung der Bevölkerung. So hat seit 2005 die Zahl der jährlichen Hüft- bzw. Knieersatzoperationen durchschnittlich um 1,4 Prozent und 1,7 Prozent zugenommen. Die Anforderungen an den künstlichen Gelenkersatz werden dabei bedingt durch die demografischen Veränderungen steigen. Experten fordern daher patientenorientierte und zwischen den Akteuren des Systems besser vernetzte Behandlungskonzepte. Die vorgeschriebene externe Qualitätssicherung für Krankenhäuser für das Jahr 2014 zeigt, dass chirurgische Komplikationen während des Klinikaufenthaltes bei Ersteingriffen seit Jahren abnehmen. Sie kommen beim Hüft- und Knieersatz bei 2,7 bzw. 1,9 Prozent der Operationen vor. Zudem steigt seit Jahren der Anteil der Patienten, bei denen eine angemessene Indikation dokumentiert ist. Dies war 2014 bei rund 96 Prozent der Hüft- und Knieersteingriffe der Fall. 80 Prozent der Ersteingriffe an der Hüfte und rund 96 Prozent am Knie gehen auf meist altersbedingten Gelenkverschleiß zurück, medizinisch "Arthrose". Zweithäufigster Grund der Hüft-Operationen sind in 12,5 Prozent der Fälle Oberschenkelhalsbrüche, ebenfalls altersabhängige Vorfälle. Demzufolge sind rund 40 Prozent der Patienten bei einem Ersteingriff zwischen 70 und 79 Jahre alt. "Immer mehr Menschen werden nicht nur immer länger, sondern auch immer aktiver mit einem Gelenkersatz leben. Hier bedarf es Anstrengungen, auch künftig die Versorgungsqualität zu sichern. Dazu gehört auch, Patienten gut aufzuklären und ihre Erwartungen mit den Möglichkeiten der jeweiligen Verfahren abzugleichen", sagte Prof. Dr. Heiko Reichel, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Auf die steigende Zahl mehrfacherkrankter Hochbetagter mit Schenkelhalsbrüchen wies Prof. Dr. Florian Gebhard, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), hin: "Wir werden künftig immer mehr ältere und multimorbide Patienten versorgen, die nach der Gelenkersatz-OP stark mobilitätseingeschränkt und pflegebedürftig sind. Für sie benötigen wir spezielle alterstraumatologische Zentren mit integrierten Behandlungskonzepten zwischen chirurgischen und geriatrischen Abteilungen sowie Rehabilitationseinrichtungen." Ziele des Gelenkersatzes sind, Schmerzen zu lindern und Patienten wieder Mobilität und aktive Teilnahme am täglichen Leben zu ermöglichen. Eine möglichst lange Lebensdauer einer Endoprothese ist dabei erstrebenswert. Diese sogenannte Standzeit hängt von vielen Faktoren ab, so das IGES im Weißbuch: etwa vom Krankheitsbild, Begleiterkrankungen, von Operationstechniken, aber auch von der Beanspruchung und den Materialien. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2014 rund 27.000 implantierte Hüftgelenke und rund 21.000 künstliche Kniegelenke ausgewechselt. Die Anzahl der Wechseleingriffe eines Jahres steht nicht in Bezug zu den Ersteingriffen desselben Jahres. Die Häufigkeit der Wechseleingriffe ist vielmehr in Relation zur kumulierten Anzahl an endoprothetischen Ersteingriffen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu sehen. Zu den häufigsten Gründen von Wechseleingriffen gehören Entzündungen, Verrenkungen oder Lockerungen der Kunstgelenke. Genauere Daten dazu soll das 2011 initiierte Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) liefern. Es soll helfen, die Zahl der Wechseleingriffe zu reduzieren und einen langfristigen Behandlungserfolg zu sichern. Das "Weißbuch Gelenkersatz" haben IGES-Wissenschaftler unter Einbezug renommierter Endoprothetik-Experten verfasst. Es entstand im Auftrag des BVMed und erscheint im Springer Verlag.