Berlin. „Etwas mehr und doch zu wenig“, so fasste Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), die Ergebnisse der Ärztestatistik für das Jahr 2014 zusammen. Wie aus den Daten der BÄK hervorgeht, erhöhte sich die Zahl der bei den Landesärztekammern gemeldeten ärztlich tätigen Mediziner im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf 365.247. „Dieses leichte Plus reicht bei Weitem nicht aus, um die Lücken in der medizinischen Versorgung zu schließen, die sich aus einer Reihe von gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben“, sagte Montgomery.
So verschieben sich die Prioritäten der Jungmediziner. „Wir haben es mit einer nachwachsenden Ärztegeneration zu tun, die berechtigte Anforderungen an ihren Arbeitsplatz stellt“, erklärte Montgomery. „Wie zahlreiche Umfragen zeigen, legen diese jungen Ärzte großen Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf, Familie und Freizeit, auf feste Arbeitszeiten und flexible Arbeitszeitmodelle.“ Die Folge: Immer mehr von ihnen entscheiden sich für eine Anstellung und gegen die Niederlassung. Zählte die Ärztestatistik im Jahr 1993 lediglich 5.397 im ambulanten Bereich angestellte Ärzte, so wuchs ihre Zahl an der Gesamtärzteschaft bis zum Jahr 2014 auf 26.307. Auch die Anzahl der Ärztinnen steigt. Im Jahr 1991 lag der Frauenanteil noch bei 33,6 Prozent. Seitdem hat er sich um 35,6 Prozent erhöht und beträgt jetzt 45,5 Prozent (2013: 45,0 Prozent). Hinzu kommt, dass sich die Zahl der Ärztinnen und Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit im Jahr 2014 wie schon in den Jahren zuvor weiter erhöht hat. Die Steigerungsrate betrug 2,4 Prozent. Dies entspricht 2.757 Ärztinnen und Ärzten. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf die Daten des Statistischen Bundesamtes. Demnach stieg die Zahl der Ärzte in Teilzeit zwischen dem Jahr 2001 und dem Jahr 2011 von 31.000 auf 54.000 Ärzte.
Umfragen zufolge planen 23 Prozent der niedergelassenen Ärzte, bis zum Jahr 2020 ihre Praxis aufzugeben. Hinzu kommt ein personeller Mehrbedarf, der aus neuen Behandlungsmöglichkeiten, vor allem aber aus dem demografischen Wandel resultiert. Während heute fünf Prozent der Bevölkerung älter als 79 Jahre sind, wird ihre Zahl bis zum Jahr 2060 auf etwa 13 Prozent steigen. Viele Industriegesellschaften kennen dieses Phänomen: Je älter die Bevölkerung ist, desto höher ist die Behandlungsintensität und damit die Nachfrage nach Ärzten. Von allen EU-Staaten hat Deutschland die älteste und weltweit nach Japan die zweitälteste Bevölkerung. Allein in unseren Krankenhäusern fehlen bis zum Jahr 2030 etwa 111.000 Ärztinnen und Ärzte, prognostiziert die Unternehmensberatung Roland Berger.
Die Gesellschaft altert, und mit ihr auch die Ärzteschaft. Der Anteil der unter 35-jährigen Ärzte im Jahr 2014 lag bei 18,3 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 1993 waren noch 26,6 Prozent der Ärzte jünger als 35 Jahre. Weiterhin schrumpfte der Anteil der 40- bis 49-jährigen von 26,6 Prozent auf 25,2 Prozent, während der Anteil der 50- bis 59-jährigen von 28,3 Prozent auf 28,5 Prozent anstieg.
Und schließlich sind da noch die in der Ärztestatistik ausgewiesenen 2.364 Ärztinnen und Ärzte, die Deutschland im vergangenen Jahr den Rücken kehrten. Die beliebtesten Auswanderungsländer sind wie in den Vorjahren die Schweiz (754), Österreich (285) und die USA (131).
Für etwas Entlastung sorgt die Zuwanderung. Die Zahl der in Deutschland gemeldeten ausländischen Ärztinnen und Ärzte ist im Jahr 2014 um 3.768 auf 39.661 gestiegen, was einem Plus von 10,5 Prozent entspricht. Die Zunahme der berufstätigen ausländischen Ärztinnen und Ärzte lag im Jahr 2014 bei 11,1 Prozent (2013: 10,3 Prozent). Die stärksten Zuwächse verzeichnen mit 2.361 die Ärztinnen und Ärzte aus den europäischen Staaten – insbesondere aus der Europäischen Union mit 1.692. Insgesamt kommen 72,3 Prozent aller ausländischen Ärzte aus Europa, 18,4 Prozent aus Asien, 5,7 Prozent aus Afrika und 2,9 Prozent aus Amerika. Die größten Gruppen bilden die Rumänen (3.857), Griechen (3.011) und Österreicher (2.695), gefolgt von den Polen (1.936). „Gerade in ländlichen Regionen leisten die Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung. In vielen Kliniken käme es ohne sie zu erheblichen personellen Engpässen“, unterstrich der BÄK-Präsident.
Doch auch der leicht positive Migrationssaldo reicht nicht aus, um die personellen Lücken zu schließen. „Abwehren lässt sich der Ärztemangel nur, wenn es gelingt, mehr Ärztinnen und Ärzte auszubilden. Derzeit gibt es an unseren Universitäten knapp 10.000 Medizinstudienplätze. Mindestens zehn Prozent mehr wären notwendig“, forderte Montgomery. „Leider scheinen aber weder Bund noch Länder bereit zu sein, sich hier finanziell zu engagieren.“ Besonders dringend gesucht werden Hausärzte. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass die Zahl der Zulassungen in den Fächern Allgemeinmedizin sowie Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt) gegenüber dem Vorjahr von 1.112 auf 1.218 anstieg. Insgesamt wurden 11.726 Anerkennungen von Facharztbezeichnungen im Jahr 2014 ausgesprochen. Damit lag ihre Zahl über den 11.149 Anerkennungen des Jahres 2012.
Die Ärztestatistik 2014 unter www.baek.de/Statistik14